'From Almora To Amrum' at Efremedis, Berlin
06.03 — 03.04.2021
Mitchell Anderson (geb. 1985, Chicago), Kamilla Bischof (geb. 1986, Graz), Martin Disler (geb. 1949, Seewen; gest. 1996, Genf), Hannah Sophie Dunkelberg (geb. 1987, Bonn), Michaela Eichwald, (geb. 1967, Köln), Heike-Ka- rin Föll (geb. 1967, Bad Cannstatt), Nuria Fuster (geb. 1978, Alcoi), Nikolas Gambaroff (geb. 1979, Deutschland), Nico Ihlein (geb. 1972, Deutschland), Shirley Jaffe (geb. Elizabeth, New Jersey, 1923; gest. 2016, Louveiciennes), Tony Just (geb. 1969, Patuxent River), Arthur Laidlaw (geb. 1990, UK), Sophie Reinhold (geb. 1981, Berlin), Aura Rosenberg (geb. 1949, New York), Alexander Wolff (geb. 1976, Orstberg), HP Zimmer (geb. 1936, Berlin; gest. 1992, Soltau)
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From Almora to Amrum ist eine Reise, die nie stattgefunden hat: eine unsichtbare und unmögliche Linie zwischen zwei Malereien: Alice Rahons Almora (1943) ist eine Darstellung einer Stadt im Himalaja und Amrum (1970) ist HP Zimmers Luftbild der Nordseeinsel, von einem Leuchtturm aus gesehen.
Rahon reiste 1937 nach Indien, wo sie sich von Darstellungen der Devi inspirieren ließ. Obwohl sich ihre Arbeit oft um Weiblichkeit dreht, wich sie einer einfachen Kategorisierung aus. Als sie gefragt wurde, welcher Kunstschule sie angehört, antwortete sie: „Ich glaube, ich bin eine Höhlenmalerin.“ In den ersten Zeilen eines ihrer Gedichte drückt sie ihre Frustration mit Einengung und Beschränkung aus: „I file the bars of my invisible prison / I sigh like horses sigh.” (1) („Ich feile an den Gittern meines unsichtbaren Gefängnisses / ich seufze wie Pferde seufzen“). Wie bei vielen Arbeiten von Rahon untersucht dieses Gedicht die Legitimität von Kategorisierungen sowie die Spannung zwischen Gefangenschaft und Selbstbestimmung in Frage. Ähnlich wie die Gitterstäbe eines unsichtbaren Gefängnisses zeigt Zimmers Darstellung von Amrum auch Klaustrophobie und Gefangenschaft. Die Häuser liegen zu nahe beieinander und das „gefährliche, geölte Wattenmeer” (2) – das Wasser steht hier so hoch am Horizont, als drohe es überzulaufen – ist mit geisterhaften Radierungen überlagert; ein Experiment der Liminalität.
Verschiedene Perspektiven einnehmend träumt From Almora to Amrum von unmöglichen Reisen – Reisen, die uns mehr an Eingrenzung als an Freiheit erinnern; sei es die Reise zu einem bedrohlichen, gefährlichen Meer oder die Sehnsucht nach Heimat, wie in Martin Dislers Darstellung eines Odysseus, der, an Ithaka denkend, zu verschwinden scheint. Sophie Reinholds Untitled besteht aus Marmorpulver, das, wenn auch pulverisiert, an antike griechische Skulpturen erinnert. Eine weitere verzögerte Heimkehr.
Wie fühlt es sich an, „wie Pferde zu seufzen“? Die zweite Zeile aus Rahons Gedicht geht vom Tier aus, es kehrt den Anthropomorphismus um: Der Seufzer eines Pferdes bewegt uns zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Welt. Es ist ein Bild, das sowohl von organischen als auch anorganischen Medien gebildet wird. Diese Form von Anthropomorphismus tritt erneut in Aura Rosenbergs Collagen auf, in denen, auf verschiedenen Pergamentebenen, Mädchen und Stier aufeinander und sich in den Armen liegen. Die Stierkreatur erinnert an das Labyrinth des Minotaurus und wirft zusätzliche Fragen der Beschränkung und Selbstbestimmung auf. Darüber hinaus bringen Rosenbergs Bilder ein weiteres Thema ein, nämlich die Bedeutung von Schichten und Texturen, die in der gesamten Ausstellung unter anderem als Wachs, Graphit und Gold auftreten.
From Almora to Amrum sinniert darüber, wo die Grenzen von Lesbarkeit, Verstehbarkeit und Identität liegen und zwar mit einer formalen Verspieltheit, die an Rahon, die „Höhlenmalerin“, erinnert: Nikolas Gambaroffs schwere, enkaustische Linien; Nuria Fusters tiefe Prussian Blue Kompositionen; Hannah Sophie Dunkelbergs glänzende, sich hervorwölbende Esstisch-Fantasien; Nico Ihleins fast körperliche Skulptur; die spirituellen, in verschiedenen Goldtönen Spiritual Allegories von Tony Just; Heike-Karin Fölls dicht geschichtetes Ölgemälde; eine Disney-Rose, die von Mitchell Anderson leicht mit Enkaustikwachs umrandet wurde; Shirley Jaffes malerische, dezentrierte Arbeiten als Experimente mit Form und Energie; Arthur Laidlaws leicht verborgene Backgammonspielerin und schlendernde Badegäste; Alexander Wolffs überlagerte chinesische Schriftzeichen; Kamilla Bischofs tretendes Pferd; Michaela Eichwalds halbgeformtes, als feeling betiteltes Gesicht; HP Zimmers Porträt einer Frau in einem scheinbaren Käfig. Jede der Arbeiten in From Almora to Amrum untersucht die Auflösung von Paradigmen – Mensch / Tier, Heimat / Reise, figurativ / materiell, Beschränkung / Freiheit – um an ihrer Stelle Platz für Rhythmus zu schaffen.
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All images courtesy of Efremidis & the artists